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Jugendbildungsstätte
in Trägerschaft der
Salesianer Don Boscos

Zeitinseln: Trauerseminar mit verwaisten Eltern und trauernden Geschwistern

Veröffentlicht am: 12. Juni 2025

Wie bekommt ein 9-jähriger Junge die Bilder vom tödlichen Unfall seines knapp 3-jährigen Bruders aus dem Kopf? Wie gelingt es, sich der Trauer zu stellen, ohne in ihr unterzugehen und trotz allem offen für das Leben zu bleiben? Schwere Fragen, die Eltern und Kinder bewegen, wenn ein Kind oder Geschwister so plötzlich und tragisch aus dem Leben gerissen wurde. Da helfen keine Patentrezepte, da braucht es Zeit, Mut, offene Ohren und ein offenes Herz.

Das war das Anliegen des Wochenendes, das Carmen Friedgen vom Aktionszentrum zusammen mit dem Verein „Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister München e.V.“ initiiert hat. Es wurde von den beiden Trauerbegleiterinnen Angela Hilz und Jani Waegner vom Verein sowie von Michael Brunnhuber als Referent des Aktionszentrums durchgeführt.

Schon bei der Ankunft war den Familien ein mulmiges Gefühl anzusehen, denn ihnen war klar, dass es früher oder später darum gehen wird, den anderen vom Verlust ihres Kindes zu erzählen. Jede der sechs Familien hatte ein Bild von ihrem verstorbenen Kind mitgebracht und beim gegenseitigen Kennenlernen am Freitagabend nicht nur sich und ihre lebenden Kinder, sondern auch das verstorbene Kind vorgestellt. Die Berichte von sechs tragischen Todesfällen zu hören, war unglaublich schwer, ergreifend und intensiv, aber im wahrsten Sinne des Wortes not-wendig. Denn es war ein wichtiges Ziel des Wochenendes, den Familien jenseits ihres Alltages eine Zeitinsel zu schaffen, in der die Trauer ihren Platz findet. Eine Zeitinsel, auf der sie auf Menschen mit ähnlichem Schicksal treffen, sich öffnen und austauschen und die Sprachlosigkeit überwinden können.

Das Seminar bot Raum, sich trotz des Schmerzes zu öffnen, weiterzugehen, vorsichtig Kontakt aufzunehmen und Unterstützung jenseits der eigenen Familie zu entdecken. Väter und Mütter erzählten, was der Tod ihres Kindes bei ihnen ausgelöst und verändert hat, wie sie den Verlust empfinden und wie sie mit der Trauer umgehen. Kinder sahen ihren weinenden Eltern in die Augen, während ihnen selbst die Tränen über die Wangen kullerten. Väter streichelten über Kinderköpfe, Mütter nahmen ihre Jüngsten auf den Schoß.

Und dann galt es, sich wieder dem Leben zuzuwenden. Dafür haben die Familien ein Familienwappen von sich angefertigt, bei dem sie sich überlegen sollten, welches Bild sie von sich als Familie haben, wie sie sich sehen und nach außen präsentieren (wollen). Rituale wie der gemeinsame Tagesbeginn im Schweigen oder das gemeinsame Singen und die „10 Gebote der Gelassenheit“ waren wichtig.

Am Samstagvormittag ging es mit allen Kindern und Eltern in den Niedrigseilparcours um den „Drahtseilakt Leben“ gemeinsam zu wagen und zu bewältigen. Diese Arbeit mit Kopf, Herz und Hand hat Bewegung in die Gruppe gebracht, Beziehung und Vertrauen geschaffen und geholfen, die anfängliche Zurückhaltung und Scheu zu überwinden und abzulegen.

Während die Eltern am Nachmittag einen Traumfänger für ihre Kinder gebastelt haben, hatte die Jugend ab Samstagmittag ein eigenes Programm. Sie machten sich zusammen auf den Weg in die Natur und entdeckten das Leben mit allen Sinnen. Neben Aktionen zur Sinneswahrnehmung, besuchten sie auch die Schafherde des Klosters, die eine besondere Wirkung auf Menschen hat und früher oder später alle Besucher zu einer großen inneren Ruhe führt.

Von Stunde zu Stunde konnte man beobachten, wie sich Familienbanden auflösten und durchmischten und aus Familien, die ein Schicksal verband, eine Gemeinschaft wurde.

Was am Freitag gemeinsam begonnen wurde, wurde am Sonntag zusammengeführt: Die Gemeinschaft der trauernden Familien feierte eine Lebensfeier, bei der sich jeder nach seiner Begabung einbringen konnte. Lieder mit besonderer Bedeutung wurden gesungen und abgespielt, Wunschblumen gestaltet, Gebetsfahnen beschrieben, ein Gedicht vorgetragen, ein Mandala, das von den Kindern gestaltet wurde, vorgestellt.

So entstand zum Ende des Wochenendes eine Fülle an Möglichkeiten, auf ganz eigene und individuelle Art mit Trauer umzugehen. So umzugehen, dass man sie nicht verdrängen muss, sondern im Miteinander anschauen und annehmen lernt, in der Hoffnung, dass sie irgendwann ihren Stachel verliert und sie trotzdem als Teil des Lebens akzeptiert werden kann…

Wo hätte so ein Wochenende besser Platz, als in einem Haus der Salesianer Don Bosco, in dem Familiarität, Gastfreundschaft und Geborgenheit wichtige Werte darstellen und damit den Rahmen schaffen, dass Menschen Vertrauen fassen und sich fallen lassen können, um neuen Mut und Kraft zu schöpfen - damit Leben trotz allem gelingen kann.